12 Platten

Ich wollte schon sehr lange mal über Platten bloggen, die mir etwas bedeuten. Hier sind zwölf davon, für jeden Monat des Jahres eine, auch wenn nicht bei allen eine Verbindung zum jeweiligen Monat besteht. Beginnen wir mit dem anstehenden Juli:

Juli

Stavros Xarhakos – Koritsia Ston Ilio (Soundtrack)

Girls In The Sun ist ein griechischer Film von 1968. Hitze. Karge Landschaft. Eine junge englische Touristin flieht in Panik vor einem griechischen Hirten. Dabei wollte der ihr doch nur freundlich ein paar Mandeln zustecken, als Dank für eine Zigarette. Später verlieben sie sich doch noch ineinander. Ich fand den Film eher mäßig, aber man muss ihn nicht mögen oder gesehen haben, um Stavros Xarhakos’ Filmmusik zu genießen. Traurig und wunderschön.

August

XTC – Skylarking

»A summer’s day baked into one cake«, sagte Sänger Andy Partridge über Skylarking. Perfekte Platte.

September

Flamin’ Groovies – Shake Some Action

Die teuerste LP, die ich mir je gekauft habe. Aber sie stand da, und ich musste sie einfach haben. Auch so eine Band, die nie ganz durchstarten wollte. Auf Shake Some Action erfanden die Flamin’ Groovies sich neu und wirkten wie zur falschen Zeit am falschen Ort: wer wollte 1976, am Vorabend des Punk, Amerikaner hören, die sich musikalisch und optisch an Beat und British Invasion der 60er orientierten? Heute ist man schlauer. Denn sie hinkten in Wirklichkeit gar nicht hinterher, sondern waren allen voraus.

Oktober

Nick Drake – Five Leaves Left

Alles aus dem schmalen Oeuvre Nick Drakes ist toll. Aber sein Debut hat weder den stellenweise mit Zuckerguss überzogenen Sound von Bryter Layter noch die Kargheit von Pink Moon, als er längst in Depressionen versunken war. Five Leaves Left ist der Musik gewordene Herbst in einem England, das es nicht mehr gibt. Oder vielleicht auch nie gab. Da steht er am Fenster (seines Elternhauses?) und bleibt für immer 26.

November

Sleaford Mods – Divide And Exit

Ebenfalls sehr englisch, auf eine ganz andere Art. Als ich die beiden schon nicht mehr ganz jungen Herren zum ersten Mal hörte, dachte ich: Was ist das denn bitte? Einfachste Billig-Beats und ein Typ, der sich die Seele aus dem Leib schimpft. Aber dann diese Zeile: »The smell of piss is so strong, it smells like decent bacon.« Einkaufszentren, Mikrowellenreis und gesellschaftliche Tristesse. Der Soundtrack zu einer grässlichen Zeit. Kein Rap, kein Punk, es ist irgendetwas Einzigartiges. Mir gefällt auch sehr, dass sich die Sleaford Mods über die Jahre musikalisch weiterentwickelt haben, ohne ihren Sound aufzugeben.

Dezember

The Pogues – If I Should Fall From Grace With God

Ja, ja: Dezember, Fairytale Of New York … wie originell. Dank der Dokumentation über Shane MacGowan weiß ich inzwischen nicht nur, dass er schon mit fünf Jahren Alkoholiker war, sondern auch, dass er dieses Lied hasst. Oder zumindest, was daraus geworden ist. Er mochte wohl überhaupt die Öffnung der Pogues hin zu anderen Stilen, wie auf dieser Platte geschehen, nicht und wollte am liebsten immer das irische Zeug machen. Ich finde trotzdem, dass er auf If I Should Fall auf dem Höhepunkt seines Schaffens ist. Und selbst Fiesta ist ja irgendwie gut.

Januar

The Go-Betweens – 16 Lovers Lane

1987 kehrten die Go-Betweens aus dem Exil im kalten London zurück ins heimische Brisbane. Dort nahmen sie 16 Lovers Lane auf. Eine warme Melancholie fließt durch die Lieder, die man nur schwer wieder aus dem Kopf bekommt. Darunter ist auch der einzige kleine Hit der Band. Der kommerzielle Erfolg blieb den Go-Betweens immer verwehrt. So ungerecht ist die Welt. Es war dann auch das letzte Album, bis sie sich ein Jahrzehnt später neu formierten. Es war aber nie wieder so schön wie auf 16 Lovers Lane.

Februar

Al Green – Let’s Stay Together

Jedes der Alben aus Al Greens Schaffensperiode Anfang der 70er ist hervorragend, aber auf Let’s Stay Together ist sein gleichnamiger größter Hit. Ich habe mal versucht, ihn beim Karaoke darzubieten. Sagen wir, ich überschätzte mich etwas. Gute Güte, kann der Mann singen.

März

Social Distortion – White Light, White Heat, White Trash

Mike Ness’ Texte mit ihren »painful kisses« und »beds of roses« schlittern nach meinem Geschmack hier und da nur haarscharf an der Parodie vorbei. Pathos gibt es reichlich, ein wahres Schmerzensfest des Punk. Musikalisch werden keine Experimente gemacht. Das Songwriting ist erzkonservativ. Aber eben auch verflucht gekonnt. Da sitzt von vorne bis hinten wirklich jeder Ton.

April

Victoria Reed – Aquamadre

Aquamadre war, neben einigen Stücken anderer Leute, eine große Hilfe beim Schreiben meines Romans, der von einer jungen Frau in der Zukunft erzählt. Da kann man ja, um in Stimmung zu kommen, nicht, sagen wir, Johnny Cash hören. Ich weiß nicht mehr, wie ich auf Victoria Reed stieß, aber einige ihrer Lieder begleiteten Szenen und Kapitel und ich wurde das Hören in Dauerschleife nie leid. Danke, Victoria!

Mai

Bim Sherman – Miracle

Ich mag Reggae nicht übermäßig und ich weiß auch nicht viel über den im Jahr 2000 verstorbenen Bim Sherman. Miracle ist streng genommen auch gar kein »echtes« Reggae-Album. Bim Sherman singt nämlich Versionen seiner Lieder zu einer indisch-östlich anmutenden Begleitung mit Tabla-Percussion, Streichern und Akustikgitarre. Mit seiner sanften Stimme ergibt das eine eigenartig majestätische, betörende Musik. Ich kenne nichts, das so klingt.

Juni

Michelle Shocked – Short Sharp Shocked

Ich war jung und fand das Cover toll: eine Frau schreit, offenbar auf einer Demo, gegen einen Polizisten an, der sie im Würgegriff hält. Diese Frau war Michelle Shocked selbst. Das Erstaunliche war, dass sie zwar aus der amerikanischen Punk- und Hausbesetzerszene kam, auf der Platte aber (bis auf einen Hidden Track) Country und Folk spielte. Die Plattenfirma bezahlte ihr, wohl in der Hoffnung, man habe hier einen künftigen Star, die besten Studiomusiker und so klingt die Platte auch heute immer noch famos. Allerdings war Frau Shocked viel zu unbequem, um sich vermarkten zu lassen (so findet man ihre Musik heute auch weder bei Streamingdiensten noch bei Youtube). Irgendwann hieß es, sie sei christliche Frömmlerin geworden. Mir wurde durch diese Platte klar, dass Countrymusik auch gut sein kann.