Anmerkungen zu Hitler

Sebastian Haffner

Jahr: 1978
Verlag: Fischer

Wiglaf Droste sagte mal, man müsse zu Hitler nicht mehr wissen, als in diesem schmalem Buch steht. Stimmt. Haffner benötigt nur knapp 200 Seiten und sieben Kapitel (»Leben«, »Leistungen«, »Erfolge«, »Irrtümer«, »Fehler«, »Verbrechen«, »Verrat«), um Hitler zu sezieren.

Haffner gesteht der Mehrheit der Deutschen zu, weniger ideologisch überzeugte Nationalsozialisten, als vielmehr Anhänger der Person Adolf Hitler gewesen zu sein, dem in den ersten Jahren seiner Herrschaft alles zu gelingen schien. Obwohl er ja geradezu kümmerlich war: ein völliger Versager in den ersten dreißig Jahren seines Lebens, ein Mann ohne Beruf, Freunde, Liebe. Trotz seiner Kürze bot das Buch für mich neue Erkenntnisse. Hitlers Entscheidungen, etwa die, auch noch den USA den Krieg zu erklären, als er selbst schon längst wusste, dass er verloren war. Die letzte Offensive in den Ardennen, von vornherein zum Scheitern verurteilt, für die er die Front im Osten entblößte. Dass er nach den Juden und den Menschen der slawischen Länder am Ende auch noch für die Deutschen die Vernichtung vorgesehen hatte. Und wie diese Dinge zusammenhängen.

Eine andere Sache, die ich aus dem Buch mitgenommen habe und mit der ich mich zunächst schwertat, ist Haffners These, dass Hitler und die Nationalsozialisten sehr wohl sozialistisch waren (sie nannten sich schließlich selbst so), nicht im marxistischen Sinne zwar, wohl aber, was etwa den Anti-Individualismus bzw. Kollektivismus, das Formen von Menschen im Sinne einer Ideologie oder die Massenorganisationen angeht. All das fand sich später ebenfalls in der DDR, wo ja auch stets nur vom »deutschen Faschismus« und nicht vom Nationalsozialismus die Rede war. Haffner sah Hitler viel näher bei Stalin als beim Faschisten Mussolini.

Man vermisst heute, da der Begriff »Nazi« geschichtsvergessen und mit völliger Beliebigkeit verwendet wird, so einen sachlichen und kühlen historischen Blick auf Hitler und den Nationalsozialismus. Leute wie Haffner… they ain’t makin’ them anymore.